Stündliche Nachrichten von den Kriegsschauplätzen, Sondersendungen auf allen Kanälen, unzählige Hintergrundsberichte - was wir über die Kriege der Gegenwart wissen, wissen wir durch die Medien. Mit ihren Bildern und Diskursen prägen sie die Einschätzung und Beurteilung einer politischen, einer militärischen, auch einer gesellschaftlichen Situation. Doch die Bilder geben nicht her, was sie versprechen: 3sat weiß von einer Schlacht der Trugbilder, der Philosoph Peter Sloterdijk spricht der Kamera gar Waffencharakter zu und kritisiert, dass die "öffentliche Schlafwandelei", die man als freie Meinungsbildung umschreibe, durch die "mediale Narkose" intensiviert würde. Kein Krieg wurde medial so begleitet wie der Krieg gegen Saddam Hussein im Frühjahr 2003. Doch auch oder gerade die über 500 Reporterinnen und Reporter, die als "eingebettete" Berichterstatter die amerikanischen Truppen an der irakischen Kriegsfront begleiteten, konnten der skeptischen Haltung ihrer Kritiker nichts entgegensetzen. Wir sahen die Bilder der Angreifer zwar in Echtzeit, doch der Informationswert tendierte gegen Null.
Alexander Paul Englert setzt mit seiner Serie Points of view individuelle Aussagen dagegen. Er porträtierte fünfzehn Menschen aus dem Irak und fünfzehn US-Amerikaner und lässt sie zu einem Krieg Stellung beziehen, der vielfach immer noch beschönigend als Konflikt bezeichnet wird. Ghazwan klagt mit 36 Jahren ein Regime an, das ihn um seine Jugend brachte, und Christopher zitiert den Mediziner Deepak Chopra mit "Every action generates a force of energy that returns to us in like kind ... What we sow is what we reap." Doch es sind nicht nur die Aussagen, die den Betrachter fesseln, ihn nachdenklich und neugierig zum nächsten Porträt hinziehen. Die konzentrierte Ruhe im Ausdruck, die Aufmerksamkeit im Blick macht deutlich, hier sind Menschen dokumentiert, die selbstbewusst ihren Standpunkt äußern. Vielleicht scheinen deshalb die meisten der Porträtierten ihren Rahmen in DIN A3-Format sprengen zu wollen. Die Aufnahmen wirken zunächst wie handcolorierte historische Fotos. Doch die gedeckten Farben bewirken, dass sich trotz der Individualität, die zum Ausdruck kommt, jedes Porträt in die Reihe der anderen gliedert, keines sich nach vorne drängt und damit jede Aussage auch auf ihre Allgemeingültigkeit überprüft werden kann.
Englert setzt mit Points of view seine fotografische Suche nach dem Ausdruck von Individualität fort. Die Einzelausstellung im Goethe-Institut Frankfurt wird aktualisiert durch weitere Porträts etwa von Paulus Böhmer Autor und Maler, Irmgard von Lehsten, Mitglied des Deutschen Komitees für UNICEF, Peter Rühe, Gründer der GandhiServe Stiftung in Berlin, den Schauspieler und Kabarettisten Michael Quast, den Publizisten KD Wolff, Frau Anne-Marie Steigenberger, sowie der Karikaturist F. C. Waechter.